Klimafreundliche Kältemittel

Die derzeit gültige EU-Verordnung über fluorierte Treibhausgase (F-Gas-Verordnung) zielt darauf ab, die Emissionen der als Kältemittel eingesetzten Gase schrittweise zu senken und dadurch den Industriesektor umweltfreundlicher zu gestalten. Darüber hinaus will die Verordnung Anreize schaffen, natürliche Kältemittel wie Propan (R290) zu verwenden, da sie ein geringeres Treibhausgaspotenzial aufweisen. 

Zurzeit wird die Verordnung auf EU-Ebene überarbeitet. Die sich abzeichnenden strengeren Regelungen für F-Gase werden die Umstellung auf umweltfreundliche Kältemittel wie Propan weiter vorantreiben. Propan besticht durch sehr gute thermodynamische Eigenschaften – nachteilig wirkt sich seine hohe Brennbarkeit aus. Die Reduktion der verwendeten Menge dieses Kältemittels sowie die Entwicklung und Bewertung apparativer Maßnahmen in Wärmepumpen und Kältemaschinen ist daher erklärtes Ziel von Forschungsarbeiten am Fraunhofer ISE. 

Am Fraunhofer ISE haben wir in Kooperation mit führenden europäischen Wärmepumpenherstellern erfolgreich den Einsatz von Propan als natürliches Kältemittel getestet. Uns ist es gelungen, einen Rekord aufzustellen: Wir konnten einen sehr effizienten Kältekreis mit nur 124 Gramm Propan bei einer maximalen Heizleistung von 12,8 Kilowatt erzielen. Dieses Ergebnis wurde im Rahmen des Forschungsprojekts »LC150« erreicht, in dem auf der Suche nach dem effizientesten Propan-Kältekreis mehrere Dutzend Prototypen für Sole-Wärmepumpen gebaut wurden. 

 

360°-Tour

Virtueller Rundgang durch das Zentrum für Wärme- und Kältetechnologien

  • Klimafreundliche Kältemittel wurden beispielsweise in der viel beachteten Studie von McLinden et al. [1] gegeneinander verglichen. Von den in dieser Studie getesteten Kältemitteln kommt nur eine beschränkte Anzahl für Wärmepumpen in Frage. Dies sind gefiltert anhand der kritischen Temperatur:

    1. Nicht halogenierte Kohlenwasserstoffe (R-290, R-1270 sowie Dimethylether (R-E170))

    2. Fluorierte und teilfluorierte Kohlenwasserstoffe (R-32, R-161 und R-152a)

    3. Fluorierte ungesättigte Kohlenwasserstoffe (R-1234yf, R-1132(E), R-1243zf, R-1252ye, R-1261ze, R-1132(Z))

    4. Halogenierte, sauerstoffhaltige Kohlenwasserstoffe (R-E143a)

    5. Halogenierte Amine und Thiole (3x n.n.)

    6. Anorganische Fluide (Ammoniak)

     

Herausforderungen für die Verwendung von Kältemitteln in Wärmepumpen

Die Herausforderung bei der Verwendung dieser Kältemittel in Wärmepumpen besteht vor allem darin, dass fast alle geeigneten Kältemittel brennbar bzw. giftig sind. Sie gehören überwiegend den Sicherheitsgruppen A2L, A3 sowie B2 (R-717) an und müssen in der technischen Umsetzung erhöhten Anforderungen gerecht werden.

Folgende Fragestellungen sind hier von Relevanz:

Umsetzung von Sicherheitskonzepten für den Havariefall

Die Sicherheitsanforderungen zum Einsatz von Kältemitteln in Wärmepumpen sind vor allem über die EN 378 und die EN 60335-2-40 definiert. Beide Normen sind teilweise mit der Maschinenrichtlinie harmonisiert, womit der gesetzliche Rahmen für den Bau von Wärmepumpen festgelegt ist. Derartige Anforderungen können ganz unterschiedliche Sicherheitseinrichtungen zur Leckageerkennung, -vermeidung und viele weitere Maßnahmen umfassen. Doch auch nicht direkt erwähnte Maßnahmen wie die massive Reduktion innerer Volumina von Bauteilen, kann durch Einhaltung der Füllmengenlimits der EN 378 eine sehr große Rolle in der Anlagensicherheit und somit den Möglichkeiten bei der Wahl des Aufstellungsortes spielen.

Anpassung und Optimierung von Komponenten zur Reduzierung der Kältemittelmenge

Der überwiegende Anteil des Kältemittels befindet sich häufig in den Wärmeübertragern und im Rohrleitungssystem. Die Optimierung der Wärmeübertrager mit Fokus auf eine Reduzierung der eingesetzten Kältemittelmenge hat daher einen großen Hebel für die Gesamtmenge. Eingesetzt werden dafür alle Typen bekannter Wärmeübertrager wie Platten-, Rundrohr-Lamellen- (mit geeigneten Rohrnennweiten) sowie Microchannelwärmeübertrager, wobei die gleichmäßige Verteilung des Kältemittels in Platten- und Microchannelwärmeübertragern noch eine wissenschaftlich-technische Herausforderung darstellt, die an verschiedenen Forschungseinrichtungen adressiert wird.

Auswahl des Kältemittels

Die Auswahl des Kältemittels berücksichtigt Aspekte wie thermodynamische Eignung, Verfügbarkeit, Umweltfreundlichkeit, Kosten, Verwendbarkeit bisheriger Anlagenkonzepte.

Die Kosten der synthetischen Kältemittel übersteigen bereits heute die Kosten von natürlichen Kältemitteln. Dies liegt einerseits an der Regulierung durch die F-Gasverordnung, aber gerade auch an den höheren Herstellungskosten dieser Kältemittel. Es müssen somit Marktverfügbarkeit, Kosten sowie die Anlageneffizienz als Kriterien zur Auswahl eines Kältemittels miteinander verglichen werden.

Kältemittelhersteller bringen deswegen vermehrt Mischungen auf den Markt, um Eigenschaften bzw. Funktionalitäten durch die Mischungszusammensetzung mitzugegeben. Basis sind häufig etablierte kostengünstige A2L Einstoffkältemittel wie R-1234yf oder R-32. Es werden exakte Schwellwerte (GWP < 150) als Zielvorgabe eingestellt und kostenintensiv synthetisierte Einstoffkältemittel mit diesen etablierten Kältemitteln gemischt, um z.B. die Brennbarkeit zu reduzieren. Die Umweltverträglichkeit und Langzeitstabilität der Mischungen ist im Einzelfall genau zu prüfen.

Natürliche Kältemittel wie R-290, R-1270, R-E170 sind ebenfalls technisch erprobt, thermodynamisch geeignet und zeichnen sich durch eine hohe Verfügbarkeit, Klimaneutralität und geringe Kosten aus. Die Stoffeigenschaften erlauben die Abdeckung vieler Betriebsbedingungen mit nur einer Verdichtungsstufe, was die Kreislaufkosten gering hält und bedingt durch die niedrige volumetrische Kälteleistung und die geringe Viskosität bei gleichzeitig hohen Wärmeübertragungskoeffizienten kompakte Anlagen ermöglicht.

Die skizzierten Fragestellungen ziehen teilweise detaillierte Untersuchungen auf Material- und Komponentenebene nach sich, die im Einzelfall technisch, energetisch und wirtschaftlich zu bewerten sind.

So müssen beispielsweise Verdichter jeweils für den Einsatz mit den Kältemitteln oder Kältemittelgemischen qualifiziert und zugelassen sein. In Bezug auf die Brennbarkeit oder Veränderung der Gemischzusammensetzung hat die Endkontrolle mit Dichtheitsprüfung von fabrikgefertigten Anlagen – was inzwischen branchenweiter Standard ist – zu einer höheren Dichtigkeit geführt, so dass eine Entmischung oder ein Entweichen weniger wahrscheinlich ist.

Aktivitäten des Fraunhofer ISE

Das Fraunhofer ISE verfolgt derzeit besonders Lösungen mit Propan, A2L-Fluiden im Wärmepumpenbereich und mit Wasser als Kältemittel für Adsorptionswärmepumpen.

  • Auslegung von Kompressionskältekreisen für A3 und A2L Kältemittel
  • Energetische Optimierung des Kompressionskältekreises sowie Adsorptionskältekreisen
  • Entwicklung eines binären Fluidverteilers zur Kältemittelreduktion in Microchannel-Verdampfern
  • Vermessung von Einzel- und Verbundverdichteranlagen zur energetischen Bewertung sowie zur Auslegung oder Analyse des Ölmanagements speziell für ein A2L-Kältemittelgemisch angelehnt an die EN 13771
  • Entwicklung von Sicherheitskonzepten inkl. Sensor- und Dichtheitsbewertung von Sensorik, Anlagen und Verbindungen

Zentrales Anliegen des Fraunhofer ISE ist es, umweltfreundliche und ressourcenschonende Wärmepumpen gemeinsam mit unseren Kunden zu entwickeln. Dazu gehört die differenzierte Betrachtung von verschiedenen klimafreundlichen Kältemitteln. 

Das Fraunhofer ISE hat für alle Aktivitäten, die die Auslegung, Bewertung und Optimierung von Komponenten und Geräten umfasst, ein speziell ausgestattetes Labor und erfahrene Mitarbeitende. Die Arbeit im Labor ist ausgelegt auf den Umgang mit den Kältemitteln der Sicherheitsgruppe A2L und A3. Das Labor hat Möglichkeiten Strömungen als Einzelpunkt- oder Feldgrößen von 20µm bis zu 1000mm Kantenlänge im Querschnitt bei einer Auflösung im Mikrometerbereich in ihrer Geschwindigkeit zu vermessen. Dies geschieht an Bauteilen und Luftstrecken, in einer Klimakammer bzw. in Luftstrecken die zwischen 20-8000 m³/h Luft feucht und thermisch konditioniert werden können.

Des Weiteren besitzt das Fraunhofer ISE umfangreiches Equipment für die experimentelle Modalanalyse, die Betriebsschwingungsanalyse, das Erfassen von Ereignissen in Wärmepumpen und deren Aktoren mittels Condition-Monitoring sowie akustischer Emissionsmessung. Unsere Messwerterfassung von Standard-Messgrößen wie Geschwindigkeiten, Volumenströme, Temperaturen, Feuchten, Drücke lassen sich teilweise auf Primär- und Sekundärnormale zurückführen und werden ansonsten über DAkks-zertifizierte Sensorik kalibriert.

FuE- Leistungen:

  • Auswahl und Bewertung geeigneter Kältemittel durch Simulation mit IMST-ART, der TIL-Suite in Modelica/Dymola sowie weiterer, einschlägiger Software für die Komponentenauslegung
  • Auslegung, Charakterisierung und Optimierung von Betriebsführungskonzepten für Wärmepumpen im Normal- und Abtaubetrieb
  • Auslegung, sowie thermische und akustische (Körperschall) Charakterisierung von Wärmeübertragern mit/ohne Kältemitteldurchströmung
  • Bewertung des Einflusses von Kältemaschinenöl auf den Wärmedurchgang
  • Bewertung von Abtaudetektion, -frostbildung sowie Abtaueffizienz
  • Entwicklung von Konzepten zur Kältemittelreduktion von Wärmeübertragern und Rohrleitungen; dies geschieht insbesondere unter Anwendung patentierter Konzepte, sowie der Auslegungs- und Qualifikationsexpertise für Fluidverteiler von Rundrohr-Lamellen- und Microchannel-Wärmeübertrager explizit geeignet für Verdampfer mit geringem Kältemittelbedarf
  • Vermessung von Einzel- und Verbundverdichteranlagen zur energetischen Bewertung
  • Auslegung und Analyse des Ölmanagements von Einzel- und Verbundverdichtern
  • Auslegung und Charakterisierung von Ölabscheidern
  • Akustische Emissionsmessung sowie Schwingungsmessungen an allen relevanten Bauteilen
  • Erstellung von Prüfkonzepten für Komponenten und Anlagen für den Dichtheitsnachweis, beschleunigte Alterungstests, Versuchskampagnen zur Bewertung und Optimierung der Betriebsführung
  • Vermessung und Charakterisierung von Komponenten in Labor mit integralem Sicherheitskonzept durch nach der F-Gase-Verordnung Klasse I zertifizierten Mitarbeitern
  • Entwicklungsbegleitung für Sicherheitskonzepte mit geeigneten Prüfungen
  • Gerätevermessung gemäß den Normen EN 14511, EN 14825, EN 16147, EN 12102 (begleitet durch den VDE)

[1] McLinden, M. O. et al. Limited options for low-global-warming-potential refrigerants. Nat. Commun. 8, 14476 DOI:10.1038/ncomms14476 (2017).