Mittelspannung – ressourceneffizient vernetzt

Bis 2050 müssen CO2-Emissionen signifikant reduziert werden. Um dies zu erreichen, werden die Sektoren Strom, Wärme und Mobilität elektrifiziert, wobei das Stromnetz zur Drehscheibe für die Sektorenkopplung wird. Dabei ist eine zuverlässige und kostengünstige Energieversorgung unabdingbar.

Nach heutigem Stand der Technik sind für die Verknüpfung von Stromerzeugung, -speicherung, -verteilung und -nutzung enorme Rohstoffmengen nötig. Mittelspannung ist der Schlüssel zur ressourceneffizienten Integration erneuerbarer Energien. Denn höhere Systemspannungen ermöglichen erhebliche Material-, Kosten- und Flächeneinsparungen und neue Systemkonzepte regenerativer Hybrid-Kraftwerke, deren Einzelbausteine über die Mittelspannung miteinander verknüpft sind.

Mittelspannung – ressourceneffizient vernetzt
Energieerzeugung Energiespeicherung Energienutzung Energieverteilung Hybrid-Kraftwerke Hybrid-Kraftwerke
© Fraunhofer ISE

Wo kommt zukünftig Mittelspannung zur ressourceneffizienten Vernetzung zum Einsatz?

Die Anwendungsgebiete für Mittelspannung sind vielfältig und lassen sich in die Bereiche Erzeugung, Speicherung, Verteilung und Nutzung von Energie einteilen. Als verbindendes Element können aus diesen Einzelbausteinen regenerative hybride Kraftwerke aufgebaut werden, die über das Mittelspannungsnetz miteinander verbunden werden, was aus Systemsicht eine Reihe von Vorteilen bietet.

Warum benötigen wir Mittelspannung für ein ressourceneffizientes Energiesystem?

Für die Transformation des deutschen Energiesystems zur Erreichung von Treibhausgasneutralität im Jahr 2045 sind erhebliche installierte Leistungen notwendig.
Um die Erzeugung, Speicherung, Verteilung und Nutzung von Energie im Stromnetz zu verknüpfen, sind jedoch nach heutigem Stand der Technik enorme Mengen an Rohstoffen nötig. Mittelspannung ist hierbei der Schlüssel zur ressourceneffizienten Integration erneuerbarer Energien ins zukünftige Stromnetz. Denn höhere Systemspannungen ermöglichen erhebliche Material-, Kosten- und Flächeneinsparungen und völlig neue Systemarchitekturen regenerativer Hybridkraftwerke, deren Einzelbausteine über die Mittelspannung miteinander verknüpft sind.

Erwartete installierte Leistung in Deutschland für Erzeugung, Speicherung und Verteilung zum Gelingen der Energiewende

In der nachfolgenden Tabelle sind die einzelnen Technologien für die Energiewende des Stromsektors aufgelistet. Daraus folgt, dass allein für Deutschland bis 2045 ca. 1 TW an elektr. installierter Leistung notwendig sind. Dabei ist der zusätzliche Bedarf aus den Sektoren Mobilität, Wärme, IT und Verbrauchslasten noch nicht berücksichtigt, die zukünftig ebenfalls einen hohen Bedarf haben werden.

Technologie

2023
Ist

2045
ISE-Studie

Photovoltaik

82 GW

430 GW

Wind onshore

61 GW

200 GW

Wind offshore

9 GW

66 GW

HGÜ für Offshore Wind

8 GW

46 GW

HGÜs und FACTS

1 GW

25 GW

Stationäre Batterien

8 GW

180 GW

Elektrolyseure

0 GW

83 GW

Total

169 GW

1.030 GW

 

Quellen: Energy-Charts des Fraunhofer ISE; Studie: »Wege zu einem klimaneutralen Energiesystem«

Wie kann Mittelspannung eine ressourceneffiziente Vernetzung ermöglichen?

Kabelquerschnitt Mittelspannung
© Fraunhofer ISE
Bei einem PV-Stringwechselrichter mit 250 kVA wird bei einer Erhöhung der Ausgangsspannung von 0,8 kV auf 1,5 kV der Kabelquerschnitt um 75 Prozent reduziert. Bei weiter erhöhten Spannungen sind entsprechend geringere Querschnitte möglich.

Durch Anhebung der Systemspannung reduzieren sich die Ströme in den Systemen. Folglich können, als der am einfachsten zu verdeutlichende Effekt, die Leitungsquerschnitte stark reduziert werden. Eine Erhöhung der Ausgangsspannung von 0,8 kV auf 1,5 kV (also eine beinahe Halbierung des Stromes) führt zu einer Einsparung beim Leiterquerschnitt von ca. 75%. Dadurch können erhebliche Ressourcen eingespart werden.

Desweiteren ermöglichen höhere Spannungen eine Übertragung von Strom über längere Distanzen mit geringeren Verlusten. Dadurch können Energiequellen effizienter genutzt und die Netzinfrastruktur optimiert werden.

Erschlossen werden kann dies durch eine disruptive Technologie im Bereich der Mittelspannungs-Leistungselektronik auf Basis von neuartigen Hochvolt-SiC-Bauelementen, die für eine Vielzahl von Anwendungen zum Einsatz kommen kann.

Chancen der ressourceneffizienten Vernetzung durch Mittelspannung

Der Einsatz höherer Systemspannungen bietet eine Reihe von Chancen, die im Folgenden kurz dargestellt werden:

  • Durch die Elektrifizierung in den Sektoren Strom, Wärme und Mobilität steigt die Nachfrage nach Rohstoffen, um Erzeugung, Speicherung, Verteilung und Nutzung von Energie im Stromnetz zu verknüpfen. Bis 2050 wird weltweit ein Zubau von etwa 73 Terawatt allein an installierter Photovoltaik-Leistung erwartet. Laut »Global Critical Minerals Outlook 2024« der Internationale Energie-Agentur IEA wird ab 2025 der Kupferbedarf das angekündigte Angebot übersteigen. Auch die Europäische Union hat in einer Studie über kritische Rohstoffe Aluminium als weiteren kritischen Rohstoff mit hoher wirtschaftlicher Bedeutung und hohem Versorgungsrisiko identifiziert. Eine Erhöhung der Systemspannung kann hier Abhilfe schaffen. Denn durch das Absinken der Ströme können erheblichen Rohstoffeinsparungen z.B. in Kupfer- und Aluminiumleitungen erzielt werden.

  • Durch den Schritt aus der Nieder- in die Mittelspannung kann die Leistung von Subsystemen in PV-Großkraftwerken erhöht werden. Bei einer Spannung von 1.500 V sind bereits 10-12 MVA statt der heute üblichen 3-5 MVA in einem Transformator möglich. Bei gleicher Kraftwerksgröße resultiert daraus eine geringere Anzahl an Transformatoren und Schaltanlagen, was Bau- und Installationskosten verringert. Allgemein sind Verlegung und Anschluss kleinerer Kabelquerschnitte deutlich einfacher und tragen zusätzlich zur Reduzierung der Installationskosten bei.

    Des Weiteren reduziert sich beim Aufbau von dezentralen DC-Netzen die Anzahl von leistungselektronischen Wandlern (Gleichrichter- und Wechselrichterstufen), da Erzeugungsanlagen (z.B. Solargeneratoren) bereits Gleichstrom liefern und direkt über ein Gleichspannungsnetz mit Speicher und Verbrauchern verbunden werden können. Dabei steigen die Potenziale und Kostenvorteile mit größerer Netzausdehnung und größeren Leistungen.

  • Energie stellt in der Industrie einen bedeutenden Kostenfaktor dar. Daher sind energieeffiziente, dezentrale Gleichstromnetze für Fabriken von morgen von großer Bedeutung. Diese Netze können Strom sowohl von regenerativen Energiequellen als auch von Energiespeichern, die bereits Gleichstrom bereitstellen, integrieren. Dadurch lassen sich Verluste vermeiden, die ansonsten bei der Umwandlung von Wechselstrom (AC) aus dem Stromnetz in Gleichstrom (DC) entstehen und somit die betriebliche Effizienz steigern.

    Darüber hinaus kann eine Erhöhung der Systemspannung zu Rohstoffeinsparungen führen, was wiederum die Materialeffizienz erheblich steigert.

  • Durch den Ausstieg aus der Kohleverstromung bis spätestens 2038 sowie die Abschaltung der Atomkraftwerke ist die zunehmende Integration erneuerbarer Energiequellen unumgänglich. Auch die Industrie ist gefordert ihre betrieblichen und Energieerzeugungsprozesse hinsichtlich der Reduzierung von CO2-Emmissionen sowie des Energieverbrauchs zu überdenken.

    Dabei müssen ohne Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit zu verlieren neue Technologien integriert und Verantwortlichkeiten für Klima- und Umweltaspekte priorisiert werden. Damit dies gelingt sind sowohl neue Konzepte als auch die Einführung einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft zwingend notwendig. Die Mittelspannung ist hierbei der Schlüssel zur ressourceneffizienten Integration erneuerbarer Energien ins zukünftige Stromnetz und dem Aufbau einer nachhaltigen und resilienten Energieversorgung.

  • In stark bebauten urbanen Räumen ist der Aufwand zur Bereitstellung neuer Infrastrukturflächen sehr hoch. So kann z.B. ein neues unterirdisches Betonbauwerk mit 70 m² leicht zu Kosten von 400-500.000 € allein nur für Beton- und Erdarbeiten führen. Daher ist das Interesse an neuen Technologien beim Retrofit von Bestandsanlagen sehr hoch. Durch Einsatz neuer Mittelspannungs-Systemtechnik könnte z.B. die Leistung von 2,5 MVA auf einer bestehenden Fläche von 70 m² nahezu verdreifacht werden.

  • Höhere Systemspannungen ermöglichen völlig neue Systemarchitekturen regenerativer Hybridkraftwerke, deren Einzelbausteine ressourceneffizient über die Mittelspannung miteinander verknüpft werden. Damit lassen sich Systemansätze für Hybridkraftwerke bzw. die Einbindung dezentraler Energieerzeugung neu denken und erlauben resilientere Stromversorgungen von Quartieren, Ladeinfrastruktur oder Industriebetrieben mit reduzierter Abhängigkeit vom traditionellen Stromnetz.