Presseinformation #23
30,2 Prozent – neuer Rekordwert für siliciumbasierte Mehrfachsolarzelle
Forschern am Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE ist es gemeinsam mit der österreichischen Firma EV Group gelungen, eine Mehrfachsolarzelle auf Silicium-Basis mit nur zwei Kontakten herzustellen, welche die theoretische Wirkungsgradgrenze reiner Siliciumsolarzellen überschreitet. Hierfür übertrugen die Forscher nur wenige Mikrometer dünne III-V Halbleiterschichten auf Silicium. Die Verbindung gelang ihnen mittels eines aus der Mikroelektronik bekannten Verfahrens, dem direkten Waferbonden. Dabei werden Oberflächen nach einer Plasmaaktivierung im Vakuum unter Druck miteinander verbunden. Es entsteht eine Einheit, indem die Atome der III-V Oberfläche Bindungen mit dem Silicium eingehen. Für eine derartige vollständig integrierte Mehrfachsolarzelle auf Silicium-Basis stellt der erzielte Wirkungsgrad ein erstmaliges Ergebnis dar. Der Solarzelle sieht man die komplexe innere Struktur nicht an, sie besitzt wie herkömmliche Siliciumsolarzellen einen einfachen Vorderund Rückseitenkontakt und kann wie diese in PV-Module integriert werden.
»Wir arbeiten daran, die theoretischen Grenzen von Siliciumsolarzellen zu überwinden«, sagt Dr. Frank Dimroth, Abteilungsleiter am Fraunhofer ISE. »Unsere langjährige Expertise im Bereich der Silicium- und III-V-Mehrfachsolarzellen hat uns geholfen, diesen Meilenstein nun tatsächlich zu erreichen.« Die III-V/Si Mehrfachsolarzelle mit einer Fläche von 4 cm2 wurde im Kalibrierlabor des Fraunhofer ISE vermessen und weist eine Effizienz von 30,2 Prozent für die Umwandlung des einfallenden Lichts in elektrische Energie auf. Die bislang höchste Effizienz einer reinen Siliciumsolarzelle liegt bei 26,3 Prozent und das für Silicium theoretisch berechnete Limit bei 29,4 Prozent.
Die III-V/Si Mehrfachsolarzelle weist eine Abfolge von übereinander gestapelten Teilzellen aus Gallium-Indium-Phosphid (GaInP), Gallium-Arsenid (GaAs) und Silicium (Si) auf, welche intern durch sogenannte Tunneldioden verschaltet sind. Die oberste Zelle aus GaInP absorbiert Strahlung zwischen 300 und 670 nm, die GaAs-Zelle zwischen 500 und 890 nm und die Si-Zelle zwischen 650 und 1180 nm. Die III-V Schichten wurden zunächst auf einem GaAs Substrat epitaktisch abgeschieden und dann auf eine speziell angepasste Siliciumsolarzellenstruktur gebondet. Anschließend wurde das GaAs Substrat entfernt, die Zelle mit Vorder- und Rückkontakt sowie einer Antireflexbeschichtung versehen. »Ein Schlüssel zum Erfolg war es, eine Prozesskette zu entwickeln, die sowohl eine ausreichend glatte und partikelfreie Silicium-Oberfläche bereitstellt als auch die unterschiedlichen Bedürfnisse von Silicium und III-V Halbleiter berücksichtigt«, sagt Dr. Jan Benick, Teamleiter am Fraunhofer ISE. »Dieser Prozess basiert auf unseren jahrzehntelangen Erfahrungen in der Entwicklung höchsteffizienter Siliciumsolarzellen.« Institutsleiter Prof. Eicke R. Weber äußert sich begeistert über das Rekordergebnis: »Ich freue mich sehr darüber, dass es uns am Fraunhofer ISE gelungen ist, die Glasdecke von 30 Prozent Effizienz für eine integrierte Solarzelle auf Silicium-Basis mit nur zwei Kontakten so überzeugend zu durchstoßen. Wir öffnen damit die Tür zu weiteren Effizienzerhöhungen auf Basis des bewährten Siliciums in der Zukunft.«
»Die III-V/Si Mehrfachsolarzelle zeigt eindrucksvoll die Möglichkeiten unseres ComBond® Clusters, verschiedene Halbleiter widerstandsfrei und ohne Klebstoffe zu verbinden«, freut sich Markus Wimplinger, Corporate Technology Development and IP Director der EV Group. »Seit 2012 arbeiten wir eng mit dem Fraunhofer ISE an der Entwicklung, und wir sind stolz auf die herausragende Leistung unserer Teams.« Das Verfahren des direkten Waferbondens wird in der Mikroelektronik bereits zur Herstellung von Computerchips eingesetzt.
Auf dem Weg zu einer industriellen Fertigung der III-V/Si Mehrfachsolarzelle müssen die Kosten der III-V Epitaxie und der Verbindungstechnologie mit Silicium weiter gesenkt werden. Hier liegen große Herausforderungen, die die Freiburger Fraunhofer-Forscher in zukünftigen Entwicklungsvorhaben in ihrem neu entstehenden Zentrum für Höchsteffiziente Solarzellen lösen wollen. Dort sollen sowohl III-V- als auch Si-Technologien der nächsten Generation entwickelt werden. Zielsetzung ist es, in Zukunft höchsteffiziente Solarmodule mit mehr als 30 Prozent Wirkungsgrad zu ermöglichen.
Über das Fraunhofer ISE
Mit rund 1100 Mitarbeitern ist das in Freiburg angesiedelte Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE das größte europäische Solarforschungsinstitut. Das Fraunhofer ISE setzt sich für ein nachhaltiges, wirtschaftliches, sicheres und sozial gerechtes Energieversorgungssystem auf der Basis erneuerbarer Energien ein. Im Rahmen der Forschungsschwerpunkte Energieeffizienz, Energiegewinnung, Energieverteilung und Energiespeicherung schafft es technische Voraussetzungen für eine effiziente und umweltfreundliche Energieversorgung, sowohl in Industrie- als auch in Schwellen- und Entwicklungsländern. Hierzu entwickelt das Institut Materialien, Komponenten, Systeme und Verfahren in insgesamt fünf Geschäftsfeldern. Darüber hinaus verfügt das Fraunhofer ISE über mehrere akkreditierte Testzentren sowie weitere Service-Einrichtungen. Das Institut ist Mitglied der Fraunhofer-Gesellschaft, der größten Organisation für angewandte Forschung in Europa.
Über EV Group
EV Group (EVG) ist anerkannter Technologie- und Marktführer für Präzisionsanlagen zur Herstellung von Halbleitern, Mikrosystemtechnik, Verbund- und Leistungshalbleitern sowie Produkten der Nanotechnologie. Zu den angebotenen Produkten zählen Waferbonder, Anlagen zur Verarbeitung von Dünnwafern, Lithographie- und Nanoprägelithographie-Systeme und spezialisierte Messtechniksysteme sowie Fotoresist-Belacker und Reinigungssysteme. EVG wurde 1980 gegründet und kann auf ein umfangreiches, weltweites Netzwerk von Kunden und Partnern verweisen. Weitere Informationen unter: http://www.evgroup.com/de
Projektförderung
Der Nachwuchsforscher Dr. Romain Cariou hat die Arbeiten am Fraunhofer ISE im Rahmen eines Marie Curie Postdoc-Stipendiums durchgeführt. Die Förderung erfolgte über das EU Projekt HISTORIC, die Arbeiten von EVG wurden durch das Österreichische Ministerium für Technologie gefördert.
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