Presseinformation #7

Entwicklung einer Pilotanlage zur Herstellung von nachhaltigen synthetischen Flugkraftstoffen auf Basis von Methanol

Die schädliche Wirkung des Flugverkehrs auf das Klima muss künftig stark reduziert werden – das gilt sowohl für die Emission von Kohlendioxid (CO2) im Abgasstrahl als auch die sogenannten Nicht-CO2-Effekte, wie die Klimawirkung der von Flugzeugen verursachten Kondensstreifen. Ein Konsortium aus Forschungsinstituten und Industriepartnern unter Projektleitung des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme ISE forscht daher zu einem innovativen Prozess: Ein nachhaltiger synthetischer flüssiger Kraftstoff (Sustainable Aviation Fuel, SAF) soll das fossile Kerosin perspektivisch vollständig ersetzen. Gleichzeitig soll die Prozesseffizienz bei der Herstellung dieses SAFs erhöht werden. Zum Projekt »Sustainable Aviation Fuels based on Advanced Reaction and Process Intensification« (SAFari) haben sich neben dem Fraunhofer ISE Partner entlang der gesamten Wertschöpfungskette zusammengeschlossen.

Zum Konsortium gehören die ASG Analytik-Service AG, die BP Europa SE, die Clariant AG und das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR). Assoziierte Partner wie die Südzucker AG und der Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft e.V. (BDL) sind wichtige Stakeholder, die die notwendigen Rohstoffe bereitstellen oder als Anwender in Frage kommen. Das SAFari-Projekt wird seit dem 1. Dezember 2022 vom Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) für die Dauer von sechs Jahren gefördert.

Weltweit sind mehr als 23.000 Großflugzeuge im Einsatz, die jährlich rund 350 Milliarden Liter Treibstoff verbrauchen und rund 1 Milliarde Tonnen CO2 emittieren. Das entspricht nach Berechnungen der International Energy Agency (IEA) etwa 3% der globalen menschgemachten CO2-Emissionen. Obwohl Langstreckenflüge (über 4.000 km Reichweite) beispielsweise in Europa nur 6,2% der Flüge ausmachen, sind sie laut Berechnungen von Eurocontrol Data für mehr als die Hälfte der Treibhausgas-Emissionen in der Luftfahrt verantwortlich. Jedoch gibt es zu flüssigen Kraftstoffen keine Alternative: Auch zukünftig müssen diese für Langstreckenflüge eingesetzt werden, da nur sie eine hohe Energiedichte bereitstellen, um solche Distanzen zu überwinden. 

Im Rahmen der 77. Jahreshauptversammlung der International Air Transport Association (IATA) 2021 haben sich die Fluggesellschaften der Welt zum Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2050 Netto-Null-Kohlenstoffemissionen zu erreichen. »Sustainable Aviation Fuels (SAFs) müssen daher schnellstmöglich technologische und ökonomische Marktreife erzielen, um dann - in industriellem Maßstab hergestellt und global gehandelt - einen signifikanten Beitrag zur Emissionsreduktion im Flugverkehr beizutragen.« erklärt Professor Christopher Hebling, Bereichsleiter Wasserstofftechnologien am Fraunhofer ISE. »Erfreulich ist, dass SAFs dem herkömmlichen Kraftstoff beigemischt werden können, ohne dass Änderungen an den Triebwerken oder der Infrastruktur nötig sind.«, so Hebling weiter. Die europäischen Rechtsvorschriften für Flugkraftstoffe schreiben eine zunehmende Verwendung von SAFs zwingend ab 2025 vor, während die US-Regierung verschiedene Anreize setzt, um den Einsatz von SAFs zu erhöhen. 

Eigens entwickelte Pilotanlage und Einsatz von grünem Methanol

Im Forschungsvorhaben SAFari werden die Partner nachhaltigen Flugkraftstoff aus Methanol in einer Pilotanlage herstellen und testen, um anschließend die vollständige Marktzulassung durch die American Society for Testing and Materials (ASTM) zu erhalten. Hinsichtlich des Methanol-Pfads zur Herstellung von SAF ist noch keine vollständig integrierte Pilot- oder Demonstrationsanlage in Betrieb, die die gesamte Prozesskette umfasst. Die zukünftige SAFari-Pilotanlage wird vom Fraunhofer ISE entwickelt und betrieben und soll alle für den späteren technischen Prozess erforderlichen Funktionalitäten vereinen, um die Übertragung des gewonnenen Know-hows in den industriellen Maßstab zu gewährleisten.

Die Umwandlung von Kohlendioxid und Wasserstoff zu Methanol als Einsatzstoff für das SAFari-Projekt ist aus verschiedenen Gründen sehr vorteilhaft: »Grünes Methanol kann weltweit an Standorten mit einer hohen Verfügbarkeit an erneuerbaren Energien hergestellt und als flüssiger Reinstoff mit der vorhandenen Infrastruktur effizient an andere Standorte transportiert werden. Dort wird es in Flugtreibstoffe umgewandelt. Daher bietet dieser Methanol-Pfad eine große Chance, Wertschöpfung auch in Deutschland zu generieren«, erklärt Dr. Achim Schaadt, Leiter der Abteilung für Nachhaltige Syntheseprodukte am Fraunhofer ISE. »Wir wollen außerdem zeigen, dass mit SAF auf Methanolbasis eine höhere Beimischungsquote erreicht werden kann.« Derzeit erlauben die verschiedenen ASTM-zugelassenen SAFs eine Beimischungsquote von bis zu 50 %. Im SAFari-Projekt wird eine Quote von bis zu 100 % angestrebt.

Innovative Prozessintegration und Reaktionstechnologie 

Die Partner werden im Vorhaben einige der Prozessschritte in innovativer Form beschreiten: »Wir wollen den Nachweis erbringen, dass mit einer Synthese von Flugkraftstoff auf Basis von Methanol eine Senkung des Wasserstoffbedarfs und eine insgesamt hohe Prozesseffizienz in einem industriell relevanten Maßstab möglich ist. Der Fokus wird auf innovativen Reaktionstechnologien entlang der verschiedenen Teilprozesse und einer intelligenten Stoff- und Energieintegration liegen. Dies soll dazu beitragen, die SAF-Ausbeute zu erhöhen und die Produktionskosten zu reduzieren.« erklärt Dr. Ouda Salem, SAFari-Projektleiter und Gruppenleiter Power-to-Liquids am Fraunhofer ISE. »Der SAFari-Ansatz kann zu einer disruptiven Technologie werden, die das Potenzial hat, den fossilen Prozess vollständig zu ersetzen und den Kohlendioxid-Fußabdruck von Flugtreibstoffen auf wirtschaftlich vertretbare Weise erheblich zu reduzieren.« so Salem weiter. 

 

ASG Analytik-Service AG | Dr. Thomas Wilharm

»ASG möchte die Aktivitäten im Bereich Jet Fuel intensivieren und verspricht sich vom SAFari-Konsortium einen erheblichen Erkenntniszuwachs. Dafür stehen eine maßgeschneiderte Analysetechnik für die Charakterisierung der Bestandteile sowie eine umfangreiche Laborausstattung zur Bestimmung wichtiger Kraftstoffparameter bereit. Zudem unterstützt die ASG die Projektpartner bei Entwicklung der Destillationsverfahren im Technikums-Maßstab und stellt synthetische Feeds für die Anlagen zur Verfügung. Es kann auf bereits belastbare Erfahrungen in beiden Bereichen aufgebaut werden.« 

BP Europa SE | Dr. Ulrich Balfanz

»BP beabsichtigt den umfangreichen Ausbau des Geschäfts mit Erneuerbaren Energien und Bioenergie. Unsere Beiträge für das Projekt SAFari sind wichtige Schritte zur Erreichung unseres Ziels, die Produktion von nachhaltigen Treibstoffen voranzutreiben.« 

Clariant Produkte (Deutschland) GmbH | Dr. Andreas Geisbauer

»Wir freuen uns Teil des Forschungskonsortiums SAFari zu sein und auf Basis unserer langjährigen Expertise in der großtechnischen Herstellung der für das Projekt erforderlichen Zeolith-Katalysatoren zur Entwicklung einer zukünftigen, CO2-neutralen Luftfahrt beitragen zu können.«

Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. DLR | Dr. Jens Melder

»Das Institut für Verbrennungstechnik (DLR-VT) ist seit 2006 im Bereich der Bewertung synthetischer Flugtreibstoffe aktiv und hat hierbei ein weites Spektrum an Methoden und internationalen Netzwerken entwickelt. Das Institut war u.a. bei der Entwicklung des Fuel Prescreenings, einem Tool zur frühzeitigen Bewertung von SAF-Kandidaten, maßgeblich beteiligt. Bei SAFari bringen wir unsere Expertise bei der Bewertung, Qualifizierung und ASTM-Zulassung von Treibstoffen mit ein.« 

© Fraunhofer ISE
Das SAFari-Konsortium, bestehend aus Vertreterinnen und Vertretern der ASG Analytik-Service AG, der BP Europa SE, der Clariant AG, des Deutsches Zentrums für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR) und des Fraunhofer ISE.

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