Bilanzkreise fit machen für lokalen Stromhandel: Projekt BKM_2.0 startet

Mit der Energiewende treten im Stromhandel neue Akteure, Handelskonzepte und Business Modelle auf den Plan – die Rollentrennung zwischen Erzeuger und Verbraucher ist aufgehoben (Prosumer). Private und gewerbliche Liegenschaften können im sogenannten Peer-to-Peer-Handel auf lokaler Ebene miteinander Strom handeln. Zwischen dem klassischen Bilanzkreismanagement und den neuen Handelskonzepten klaffte bisher eine Lücke. Diese wollen die fünf Partner des Forschungsprojekts »BKM_2.0 - Analyse der Peer-2-Peer Vermarktung von Strom und Entwicklung eines Bilanzkreismanagements 2.0.« in den kommenden drei Jahren schließen.

© Fraunhofer ISE
Das Projekt BKM2.0 verknüpft das klassische Bilanzkreismanagement mit innovativen Energiehandelsprozessen.

»Klassisches Bilanzkreismanagement stützt sich im Wesentlichen auf fahrplan- und prognosegesteuerte Liefer- und Bezugsprozesse, bei denen größere Strommengen einer überschaubaren Zahl von Einzelerzeugern in geplanter Form bestimmten Verbrauchern zugeordnet werden. Dynamische Handelsprozesse kleinerer Akteure untereinander sind hierbei nicht abbildbar«, erklärt Thomas Erge, Senior Engineer Smart Grids am Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE.

Zentrales Ziel des vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie geförderten Projekts ist es, methodische, regulatorische und technische Lösungen für die Verknüpfung und Anpassungsprozesse zwischen dem klassischem Bilanzkreismanagement und innovativen Energiehandelsprozessen zu erarbeiten. Die Basis dafür liefert die Digitalisierung des Energieversorgungssystems. Projektpartner sind neben dem Fraunhofer ISE die Oxygen Technologies GmbH, die Südwestdeutsche Stromhandels GmbH, die Aschaffenburger Versorgungs GmbH und die Hochschule Offenburg.

Die Partner bewerten zunächst verschiedene mögliche Peer-to-Peer (P2P) -Handelskonzepte und beschreiben besonders aussichtsreiche Szenarien, um darauf aufbauend Simulationsrechnungen und Lösungen für die Praxis zu erarbeiten.

Auch die Wechselwirkung mit dem Gesamtenergieversorgungssystem und dem Netzbetrieb wird im Projekt betrachtet, da Potenziale und Relevanz von P2P-Handelskonzepten auch davon abhängen. So können sich aus veränderten lokalen Belastungen der Netzinfrastruktur technische Beschränkungen im lokalen Netzbetrieb ergeben. P2P-Handelsprozesse bieten einerseits Flexibilitätspotenziale, die für eine innovative Bilanzkreisbewirtschaftung erschlossen werden können, andererseits ergeben sich durch die dezentralen und eher kurzfristigen Handelsvorgänge neue Bedingungen für die Prognose der knotenscharfen Ein- und Ausspeisungen. Das führt wiederum zu neuen Herausforderungen bei der Fahrplanerstellung und letztendlich der kompletten prozessualen Verarbeitung der für das Bilanzkreismanagement relevanten Daten.

Eine starke Durchdringung des Stromsystems mit P2P-Handelsprozessen und neue Methoden des Bilanzkreismanagements werden auch zu Veränderungen des Stromsystems führen, insbesondere mit Blick auf den Kraftwerkspark und den Bedarf an Speichern und Netzausbau. Sekundär ist mit Auswirkungen auf den Börsenstrompreis, Beschaffungskosten und das Ausgleichsenergiemanagement zu rechnen. Im Projekt sollen solche Aspekte durch eine Simulation mit einem weiterentwickelten open source Strommarktmodell untersucht werden.

In einem Feldtest soll unter Einbeziehung von Kunden eines Energieversorgers für einen oder mehrere Bilanzkreise ein innovatives Bilanzkreismanagement mit P2P-Handelskonzepten implementiert und getestet werden. Neben den Prosumern werden in den Test alle weiteren relevanten Akteure des Energieversorgers, Netzbetreibers und Bilanzkreisverantwortlichen eingebunden.

Abschließen sollen die Detailergebnisse des Projekts in die Beschreibung eines Implementationspfads für die Einführung von Bilanzkreismanagement 2.0 münden. 

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