Kopernikus-Projekt ENavi – Systemintegration

Kopernikus-Projekte für die Energiewende – Themenfeld 4: Systemintegration und Vernetzung der Energieversorgung

Laufzeit: Oktober 2016 - November 2019
Auftraggeber / Zuwendungsgeber:
Bundesministerium für Bildung und Forschung (BmBF)
Kooperationspartner: 80 Kooperationspartner (siehe Projektwebseite)
Webseite: Kopernikus-Projekt: Gesellschaftliche Teilhabe
Projektfokus:
REMod-D Modell für das Energiesystem Deutschlands.
© Fraunhofer ISE
REMod-D Modell für das Energiesystem Deutschlands.

Mit der Energiewende hat sich Deutschland zum Ziel gesetzt, das gegenwärtige Energiesystem in ein weitgehend CO2-freies und auf erneuerbaren Energien basierendes System zu transformieren. Ein wirtschaftliches, umweltverträgliches, verlässliches und sozialverträgliches Energiesystem benötigt eine ganzheitliche Betrachtung auf Systemebene. ENavi sieht die Energiewende daher als einen gesamtgesellschaftlichen Transformationsprozess und verknüpft wissenschaftliche Analysen mit politisch-gesellschaftlichen Anforderungen.

Das Projekt ENavi zielt darauf ab,

  • ein tieferes Verständnis des komplex vernetzten Energiesystems im Energiebereich und den damit verbundenen Bereichen wie Industrie und Konsum zu gewinnen,
  • Handlungsoptionen aufzuzeigen, wie die Komponenten des zukünftigen Energiesystems unter Berücksichtigung der energiepolitischen Ziele und (u. a. rechtlichen Rahmen-) und Randbedingungen systemisch integriert werden können,
  • so präzise wie möglich abzuschätzen, welche Folgen eine bestimmte Maßnahme kurz-, mittel- und langfristig auf das Energiesystem haben würde und schließlich
  • im transdisziplinären Diskurs Optionen für wirksame Maßnahmen zu generieren.

Im Rahmen von ENavi bearbeitet das Fraunhofer ISE verschiedene Aspekte der Systemintegration.

Die zunehmende Sektorintegration im Energiesystem - also eine zunehmende Integration der Sektoren Strom und Wärme, Strom und Verkehr sowie Strom und Industrieprozesse – hat zwei Hauptgründe, die sich wechselseitig ergänzen: (1) Die Dekarbonisierung der Sektoren Wärme, Verkehr und Industrieprozesse impliziert eine wachsende Nutzung von Strom aus Erzeugung mit abnehmenden CO2-Emissionen und/oder eine Nutzung von Brenn- bzw. Kraftstoffen mit einem steigenden Anteil erneuerbarer Energieträger (biogen, synthetische chemische Energieträger hergestellt aus erneuerbarem Strom). (2) Die Zunahme volatiler Stromerzeugung (Sonne, Wind) und Wärmebereitstellung (Sonne, KWK) verlangt eine zunehmende Anpassung der Strom- und Wärmenutzung an die Erzeugung. Diese notwendige Flexibilisierung des Energiesystems ist mittel- und langfristig nur dann möglich, wenn über die heute schon durch die Endenergie Strom dominierten Anwendungen hinaus viele neue Anwendungen in anderen Sektoren Strom verwenden, einschließlich der Option der Herstellung synthetischer chemischer Energieträger und wenn im Wärmemarkt eine stärkere Vernetzung von Angebot und Nachfrage erreicht wird. Insbesondere der zweite Grund stellt hohe Anforderungen an die zukünftige Energienutzung in den Sektoren Wärme, Verkehr und Industrieprozesse.

Das Fraunhofer ISE arbeitet in ENavi in verschiedenen Arbeitspaketen. Im Arbeitspaket zur Sektorintegration wird die Integration der flexiblen Energienutzung in Gebäuden (Wärme, Kälte), Verkehr und Industrieprozessen umfassend behandelt. Dies impliziert die detaillierte Analyse der technischen Potenziale – wo ist welche Flexibilität mit welchem Aufwand zu erreichen – über die notwendigen ökonomischen Anreizsysteme und deren regulatorischer Umsetzung bis hin zur Frage, ob und wie die jeweils betroffenen Akteure einbezogen werden können und müssen. Das Fraunhofer ISE setzt hier zu Beantwortung der Fragestellungen das Energiesystemmodell REMod-D ein.

Weiterhin arbeitet das Team »Nutzerverhalten und Feldtests« am Fraunhofer ISE im Arbeitspaket »Wandel von Werten und Lebensstilen« an der subjektiven Wahrnehmung der Energiewende auf lokaler und regionaler Ebene. Ziel ist es, das Verhalten sozialer Systeme¹ (hier: des »sozialen Systems der ausgewählten Region«) unter Bedingungen des Transformation des Energiesystem (Energiewende) zu verstehen. Im Task »Regionale Akzeptanz und regionalen Konfliktlinien« werden Treiber, Hemmnisse und Konfliktlinien sowie die sozialen Dynamiken konkreter Vorhaben der Energiewende analysiert. Dazu werden qualitative Interviews in verschiedenen Modellregionen bzw. Reallaboren geführt und auf den Ergebnissen aufbauend relevante Prozessbedingungen und Gestaltungsoptionen identifiziert. Mittelfristig werden diese in eine Modellierung sozialer Systeme übertragen. Die Gruppe »Smart Grid IKT« untersucht im Arbeitspaket »Digitalisierung und IKT« neue Möglichkeiten des dezentralen Handels und der Integration dezentraler Anlagen in das Energiesystem. Dabei liegen die Schwerpunkte auf Multi-Agentensystemen und den Chancen von Blockchain-basierten Konzepten. Dies passiert in enger Abstimmung mit den anderen Arbeitspaketen, um den wechselseitigen Austausch von Anforderungen an das IT-System und neuen Möglichkeiten der Digitalisierung gerecht zu werden.

Die Gruppe »Smart Cities« untersucht am Beispiel von 2 ENavi-Reallaboren, welche Planungsmethoden und –werkzeuge bei der  Transformation kommunaler Energiesysteme eingesetzt werden. Mit dem Modell KomMod werden optimierte Energiesystemlösungen berechnet und diese mit den existierenden Planungen sowie mit den Ergebnissen anderer Methoden verglichen. Daraus erarbeiten die Forscher Vorschläge für eine optimierte und zielgerichtete Entwicklung von Transformationspfaden.

¹Stern et al. (1992) stellen für die Analyse des globalen Wandels Natursphäre (environmental systems: Atmosphäre, Biosphäre, Hydrosphäre etc.) und Anthroposphäre (human systems: öko­no­mische, politische, kulturelle, sozio-technische Systeme) einander gegenüber. Wenn im Fol­gen­den von sozialen Systemen bzw. vom »sozialen System der Modellregion« die Rede ist, dann ist dieses  eher heuristische Verständnis von human systems als »gesellschaftlich-sozialer Bereich« ge­meint, nicht das enger gefasste soziologische Konstrukt, wie es z.B. Parsons (1997) definiert.