Presseinformation #07

Netzdienliche Gebäude unterstützen die Integration erneuerbarer Energien – Fraunhofer ISE stellt auf Berliner Energietagen neue Forschungsergebnisse vor

Das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE stellt auf den Berliner Energietagen am 12. April 2016 neue Forschungsergebnisse zu netzdienlichen Gebäuden und Quartieren vor. Prof. Dr. Hans-Martin Henning, stellvertretender Institutsleiter, wird in einem Übersichtsvortrag zeigen, wie Gebäudemasse und technische Speicher helfen, die Fluktuationen durch erneuerbare Energien zu glätten. Der Vortrag ist Teil eines Workshops, dessen Veranstalter neben dem Fraunhofer ISE das Fraunhofer IBP und die RWTH Aachen sind. Mehr Informationen zum Workshop finden Sie hier: www.energietage.de/details/va/2016-504.html

Dieses Laborgebäude des Fraunhofer ISE mit Kaltwasserspeicher dient als Demonstrator für einen netzdienlichen Betrieb.
© Fraunhofer ISE
Dieses Laborgebäude des Fraunhofer ISE mit Kaltwasserspeicher dient als Demonstrator für einen netzdienlichen Betrieb.

Der Ausbau der erneuerbaren Energien schreitet voran. Gab es 2011 noch 54 Gigawatt an installierter Leistung von Wind und Photovoltaik, so waren es 2014/15 83 GW, was etwa der Spitzenlast im deutschen Netz entspricht. Der wachsende Anteil erneuerbarer Energien führt dazu, dass zu bestimmten Zeiten Strom aus regenerativen Quellen im Überfluss vorhanden ist, während zu anderen Zeiten fossile Spitzenlastkraftwerke emissionsbelasteten Strom erzeugen müssen. Da Strom nur schwierig zu speichern ist, gilt es, Stromerzeugung und Stromverbrauch zu jedem Zeitpunkt im Gleichgewicht zu halten. Dafür stehen verschiedene Flexibilitätsoptionen zur Verfügung: bedarfsorientierter Betrieb konventioneller Kraftwerke und KWK-Anlagen, Lastmanagement von abschaltbaren Lasten in Haushalt, Gewerbe und Industrie, Einsatz von Kurzzeitspeichern und – mittel- bis langfristig – der Einsatz von Anlagen zur Herstellung synthetischer chemischer Energieträger (Power-to-Gas/Power-to-Liquid) bei großen Stromüberschüssen.

Verhält sich ein ganzes Gebäude konform zu den Zielen des Lastmanagements, nennt man es netzdienlich. »Wir forschen an drei Ansätzen, um die Netzdienlichkeit von Gebäuden zu steigern«, sagt Dr.-Ing. Doreen Kalz, Leiterin der Gruppe Gebäudeanalyse und Energiekonzepte am Fraunhofer ISE. »Man kann erstens zwischen unterschiedlichen Wärme- und Kälteerzeugern umschalten, z. B. zwischen einer elektrischen Wärmepumpe und einer Gasbrennwerttherme. Der zweite Ansatz nutzt technische Speicher wie eine elektrische Batterie oder einen thermischen Wärmespeicher. So kann eine elektrische Wärmepumpe in Zeiten eines Stromüberangebots Wärme in einen Pufferspeicher laden. Als Drittes kann die thermische Masse des Gebäudes selbst die Wärme- oder Kältespeicherung übernehmen, indem massive Bauteile durch Thermoaktive Bauteilsysteme thermisch aktiviert werden.«

Um die Netzdienlichkeit verschiedener Gebäude miteinander vergleichen zu können, entwickelten die Wissenschaftler zwei Kennzahlen zur Charakterisierung von Netzdienlichkeit, einen absoluten und einen relativen Grid-Support-Coefficent (GSCabs und GSCrel). GSCabs gewichtet den Strombezug mit einer netzbasierten Referenzgröße wie einem Strompreissignal. GSCrel übersetzt diesen Wert auf eine Skala von -100 (ungünstigster Wert) bis +100 (günstigster Wert) und beschreibt, welches Optimierungspotenzial noch besteht. Eine Auswertung von 52 Bestandsanlagen zeigte, dass sich der Großteil der heutigen Anlagen »netzadvers« bis hin zu »netzneutral« verhält. Bei zwei näher untersuchten Blockheizkraftwerken konnte die Netzdienlichkeit auf +70 gesteigert werden – u. a. durch eine neue Regelung, die den Strompreis an der Strombörse EEX berücksichtigt.

Der Workshop auf den Berliner Energietagen fasst Ergebnisse aus vier Jahren Forschung im Projekt »Netzreaktive Gebäude« zusammen, das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) gefördert wurde. Partner des Fraunhofer ISE waren das Fraunhofer-Institut für Bauphysik IBP in Kassel und das E.ON Energy Research Center der RWTH Aachen. Das Fazit der Wissenschaftler: Zur Erzielung eines netzdienlichen Verhaltens muss zunächst das individuelle Ziel definiert werden, z. B. hohe Erlöse beim Stromverkauf, Bereitstellung von Regelenergie, Entlastung der Verteilnetze oder ein hoher Anteil erneuerbarer Energien bei der Bedarfsdeckung.

Netzdienlichkeit macht darüber hinaus nicht am Gebäude halt. Man kann Quartiere, Stadtteile und Regionen netzdienlich gestalten. Letztlich ist Netzdienlichkeit auch eine europäische Frage, die Thema bei der Internationalen Energieagentur IEA im Arbeitskreis Annex 67 ist. Am Fraunhofer ISE wird die Arbeit im ebenfalls vom BMWi geförderten neuen Projekt »FlexControl« fortgesetzt und Beiträge dafür liefern, dass stabile Stromnetze und der kontinuierliche Ausbau erneuerbarer Energien weiter Hand in Hand gehen.

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